1996 war Kodak laut Interbrand noch die viert wertvollste Marke der Welt. Auf den drei Plätzen vor Kodak gab es nur noch Disney, McDonalds und Coca-Cola. 6 Jahre später meldet Kodak Insolvenz an und verschwindet in den folgenden Jahren fast gänzlich vom Markt. Kodak wurde Opfer einer weit verbreiteten Firmenkrankheit namens Betriebsblindheit. Kodak war zu dieser Zeit sehr innovativ und forschte intensiv im Bereich der Fotografie. 1974 entwickelte die Firma die erste Digitalkamera überhaupt. Anstatt die Chancen zu sehen, sah man aber nur die Gefahren dieser Technologie und fürchtete um das Kerngeschäft mit Fotofilmen. Deshalb wurde die Weiterentwicklung dieser Technologie auf Eis gelegt. Vier Jahre später wurde dann aber doch wenigstens das Patent angemeldet und geschützt. 1991 baute man die erste kommerzielle digitale Spiegelreflexkamera der Welt und begann, die Zeichen der Zeit zu verstehen. Kodak hatte alle erdenklichen Vorteile, um auch im Digitalkamera-Geschäft Weltmarktführer zu werden. Man hatte die Technologie, die Patente, das Knowhow, die Kapazitäten, das Distributionsnetz usw. – alles schien perfekt. Der Markt, bzw. der Käufer, sah das aber nicht so. Für Ihn war Kodak nach wie vor der Hersteller von Fotofilmen, einer Technologie von gestern. Aus Sicht der Käufer ‚versuchte‘ Kodak in einem Markt Fuss zu fassen, von dem es nichts verstand, mit Produkten, die preislich und qualitativ weit hinter der Konkurrenz lagen. Firmen wie Sony, Nikon oder Canon wurden hingegen als Technologieführer und Innovatoren wahrgenommen und dies, obwohl in all diesen Geräten viele Kodak-Patente verbaut waren. Kodak verstand es nicht, sich als Kamerahersteller neu zu positionieren und wurde am Markt dafür abgestraft. Aus Sicht von Kodak waren sie Technologie- und Marktführer im Bereich Fotografie. Dass der Markt für Fotografie aber nicht derselbe war wie jener der Digitalfotografie, verstanden sie nicht.
Branchenfremde entern das Schiff
Diese Geschichte zeigt, wie gefährlich Betriebsblindheit sein kann und wie wichtig es ist, seine Produkte, Dienstleistungen und Positionierung laufend zu hinterfragen. Es war nicht ein Taxiunternehmen, welches UBER entwickelte, kein Automobilhersteller, welcher TESLA gründete, kein Internetanbieter, der Facebook erfand, kein Detailhändler, welcher Amazon ins Leben rief. Die Liste könnte fast endlos weitergeführt werden. Vielen Unternehmen fällt es schwer, die Sicht von aussen einzunehmen und sich die Zukunft ihres Marktes vorzustellen. In den nächsten Jahren werden sich in vielen Branchen die Firmen mit neuen Geschäftsmodellen und Technologien konfrontiert sehen, welche von Leuten entwickelt wurden, die es verstehen, Produkte, Dienstleistungen und vor allem Prozesse grundlegend zu hinterfragen. Die daraus entstehenden disruptiven Ideen werden ganze Branchen umwälzen, wenn nicht gar vernichten.
Sicht von aussen
Firmen tun gut daran, sich mehrmals pro Jahr über ihre Zukunft intensiv Gedanken zu machen. Instrumente des Strategischen Marketings, wie z.B. der Branchenstrukturanalyse 5-forces, der Umfeldanalyse PESTEL oder der Situationsanalyse SWOT, helfen dabei zu verstehen, wo man sich befindet und wohin die Reise gehen könnte. Die Sicht von aussen ist für ein besseres Verständnis von möglichen Zukunftsszenarien unentbehrlich. Hier helfen Instrumente, wie z.B. die 6 Denkhüte von Edward de Bono, verschiedene Sichtweisen einzunehmen und daraus Schlüsse zu ziehen.
Kultur der steten Erneuerung
Einer der wichtigsten Eigenschaften, die innovative dynamische Unternehmen auszeichnet, ist die Unternehmenskultur. Wer eine Kultur des Wandels und der stetigen Erneuerung lebt, wird eher fähig sein zu agieren, statt nur zu reagieren und verpassten Chancen hinterher zu rennen. Dies setzt aber die Fähigkeit voraus, lieb gewonnene Gewohnheiten zu hinterfragen und sich teilweise von ihnen zu verabschieden, um ihnen neuen Raum zu geben.
Mut zum Risiko
Ein weiterer Grund für das verharren im Status Quo ist die Angst, auf neuen Wegen zu scheitern. Diese Angst ist auf jeden Fall begründet, und oftmals werden neue Ideen und Projekte eine Bruchlandung hinlegen. Solange man diese Risiken mit kalkulierbarem Schadenspotenzial eingeht, kann man nur aus ihnen lernen und besser werden. Jene Ideen und Projekte, die aber gedeihen und erblühen, können ein Unternehmen in ganz neue Sphären katapultieren. Wer nicht bereit ist, kalkulierbare Risiken einzugehen und neues auszuprobieren, wird im besten Fall mit Stillstand, wenn nicht gar, wie im Fall von Kodak, mit vollständiger Vernichtung rechnen müssen.
5 Punkte, die Dir helfen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen
- betrachte Dein Unternehmen, Produkt, Deine Dienstleistung aus Sicht des Kunden
- versuche, Prozesse nicht nur zu optimieren, sondern hinterfrage sie grundlegend
- beobachte, wie sich Deine Mitbewerber verändern
- überlege, wie Deine Branche überflüssig gemacht werden könnte
- diskutiere viel mit Branchenfremden über die Zukunft Deines Marktes
Konnten wir dich inspirieren?
Über Kommentare und Anregungen freuen wir uns sehr!
© Marc Hagmann