Let’s get digital
Das inflationär verwendete Modewort Digitalisierung wird immer mehr zu einer Worthülse, in die man alles Mögliche hineininterpretieren kann. Für die Medien ein gefundenes Fressen! Entsprechend liest, hört und sieht man auf allen Kanälen Beiträge zum Thema in den vielseitigsten Ausprägungen. Viele KMUs sind verunsichert und können nicht einschätzen, was auf sie zukommt und ob es einen Handlungsbedarf für sie gibt.
Zwischen Wunschvorstellung und Realität
Ich erlebe oft, dass es eine riesige Diskrepanz zwischen dem medialen Idealbild und der Realität bei vielen KMUs gibt. Viele dieser Betriebe leben – entschuldige den Ausdruck - in der Steinzeit und sind gefühlte Lichtjahre von Themen wie Digitalisierung oder Industrie 4.0 entfernt. Dennoch beschäftigt sie das Thema. Das Wissen beschränkt sich aber oftmals auf Schlagworte, die man aufgeschnappt hat, was sich in einer sehr dürftigen Wissensgrundlage mit grossen Lücken manifestiert.
Im ‘Backend‘ OK aber Vorsicht im ‘Frontend‘
Diese Situation führt zu Fehlentscheidungen, die schnell viel Geld kosten und Kunden vergraulen können. Anstelle von Effizienzgewinn und Erfolgssteigerung passiert genau das Gegenteil. Wenn Prozesse digitalisiert und optimiert werden, die den Kunden nicht direkt betreffen, ist dies kein Problem, solange der Kunde keine Qualitätseinbussen irgendwelcher Art in Kauf nehmen muss. Betreffen sie aber Schnittstellen zum Kunden, muss man gut abwägen, welche Konsequenzen eine Änderung der Prozesse nach sich ziehen würden.
Am Kundenbedürfnis vorbei werkeln
Im Zentrum der Fragestellung muss zwingend immer der Kundennutzen stehen. Und zwar ein echter und kein an den Haaren herbeigezogener ;-) Den Kunden ‚umerziehen‘ zu wollen ist eine gefährliche Sicht der Dinge und kann bei mangelnder Marktmacht - was wohl auf alle KMUs zutrifft - schnell zum Verlust dieser führen. Oftmals werkelt man an den Bedürfnissen der Kunden vorbei oder überfordert sie mit - aus Kundensicht - komplexen digitalen Prozessen. Dies kann dann schnell mal zu einem schlechten Kundenerlebnis führen und Kunden verscheuchen.
Kunden können sehr sehr konservativ sein
Typische ‚Spielplätze‘ der Digitalisierung in KMUs sind Informationen, Bestellprozesse und das Faktura- oder Angebotswesen. Gewisse Kunden ziehen es aber vielleicht vor, Produkte im Papierkatalog zu suchen und per Telefon bei Herr/Frau Müller oder Fax (ja…Fax…) zu bestellen. Diese möchten sich nicht mit einem Passwort irgendwo einloggen und auf einer Plattform etwas suchen, bestellen und evtl. auch noch gleich bezahlen. Das wollen die nicht! Nein! Faxen wollen die :-) Mit Herr oder Frau Müller reden wollen die! Ob mir das als Anbieter passt oder nicht ist völlig irrelevant. Der Kunde soll sich bei mir wohlfühlen. Also muss ich ihm eine Umgebung gestalten, die seinen Ansprüchen gerecht wird.
Sowohl als auch
Soll man nun also auf jegliche Form der Digitalisierung verzichten, wenn es Berührungspunkte zu Kunden gibt? Nein – im Gegenteil! Man soll sich intensiv Gedanken darüber machen, wie man das Leben der Kunden erleichtern und ihnen einen Mehrnutzen bieten kann, ohne sie dabei zu überfordern. In den nächsten Jahren ist es ratsam, das Bekannte zu tun aber das Neue nicht zu lassen. Also gewohnte Prozesse aufrecht zu erhalten und - parallel dazu - digitale Alternativen anzubieten. Abraten würde ich von Hauruck-Übungen und Entweder/Oder-Denken. Kunden sollen wählen können, wie sie mit ihren Lieferanten interagieren. Früher oder später werden sie von alleine jene Möglichkeit nutzen, die Ihnen einen Mehrwert bietet.
5 Punkte, die Dir helfen, die richtigen Dinge zu digitalisieren
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© Marc Hagmann